Vielfältiges Programm bei Kurs 10 mit guter Beteiligung

Nach längerem Unterbruch stand am 25. Oktober wieder ein Kurs im laufenden Zyklus des Fähigkeitsprogramms Phytotherapie SMGP auf dem Programm. Erneut war das Interesse gross, sodass die Veranstaltung in die grosse Aula der ZHAW verlegt wurde, um allen den nötigen Platz zu bieten. Der erste Block von Kurs 10 (Phytotherapie im komplementärmedizinischen Umfeld) war der Mistel gewidmet, die aus verschiedensten Warten betrachtet wurde. Konrad Urech fokussierte auf zahlreiche botanische Eigenheiten der Pflanze, die keine ausgeprägte Wachstumsrichtung hat, keine Seneszenz zeigt und entsprechend kaum verholzt. Werden die Blätter abgeworfen fallen sie grün vom Baum, auf dem die Mistel wächst. Die Gehalte der Viscotoxine und der Lectine verhalten sich antizyklisch mit Gehaltsspitzen im Sommer respektive Winter, was die Herstellung von Extrakten kompliziert. Die Inhaltsstoffe induzieren u.a. die Aptopose (natürlicher Zelltod durch Lektine) und die Zellauflösung (Nekrose) durch Viscotoxine. Die Mistelprodukte unter dem Label Iscador werden schon seit Jahrzehnten klinisch erforscht. Ihre therapeutischen Wirkungen sind vielfältig. Immer wieder wurde die Reduktion von Nebenwirkungen der Chemo- und Strahlentherapie untersucht sowie die Verbesserung der Lebensqualität. Vier grosse retrospektive Kohortenstudien führten zu neuen Studiendesigns, z.B: bei fortgeschrittenem Pankreaskarzinom. Die Überlebenszeit in der Verumgruppe war so viel besser im Vergleich zur Placebogruppe, dass die Verblindung nach 220 Patienten im Einverständnis mit der ethischen Kommission aufgehoben wurde. Clifford Kunz, Träger des Fähigkeitsausweises Phytotherapie SMGP, berichtete von seinen eigenen Erfahrungen mit der Misteltherapie unter den Aspekten: „A round every tumor there is a patient“ sowie „Gesundheit ist die Fähigkeit ein sinnvolles Leben zu führen.“ Er versuchte den Respekt vor der Injektionstherapie mit konkreten Anleitungen abzubauen, um im zweiten Block mit einer Reihe von praktischen Tipps für die Therapie der Stomatitis unter Chemotherapie zu geben. Produkte aus Pflanzen spielen dabei eine herausragende Rolle und können in vielen Formen zur Behandlung von Schleimhautläsionen und trockenem Mund eingesetzt werden. Neben Schleim- und Gerbstoffzubereitungen aus z.B. Malven sowie Salbei und Ratanhia zeigen auch Öltherapien (Sonnenblumenöl, Sanddornfruchtfleischöl) gute Resultate. Am Beispiel dieser Öle zeigt sich, wie volksmedizinisch „erfundene“ Therapien auch heute in der Klinik Einzug halten. Die Gemmotherapie, eine vor allem in Frankreich weit verbreitete spezielle Form innerhalb der Phytotherapie, wurde von Conwitha Lapke vorgestellt. Die Zubereitungen werden mit Alkohol/Glycerinmischungen ausgezogen und sollen besonders viele Aminosäuren enthalten. Am besten untersucht ist die Anwendung von Ribes nigrum (Schwarze Johannisbeere, Blattknospen), die in Form eines Sprays in vielen Praxen bei Entzündungen eingesetzt werden. Die Leber als vergessenes Organ wurde von Simon Feldhaus beleuchtet. In der traditionellen Phytotherapie gibt es – ganz im Gegensatz zur Schulmedizin – viele leberstärkende Mittel. Bei Patienten mit ständiger Müdigkeit und mangelnder Leistungsfähigkeit sollte in der Phytotherapie an eine Aktivierung der Leber gedacht werden. Neben Fertigarzneimitteln stehen zahlreiche Tees, Tinkturen aber auch Wickel zur Verfügung. Rodolfo Möhr vom Altersheim am Kirchhofplatz in Schaffhausen berichtet über den Einsatz von Tees in der von ihm geleiteten Institution. Die Teezubereitung liegt in der Verantwortung des Patienten – bei chronischen Leiden konnten so immer wieder signifikante Verbesserungen erreicht werden. Peter Frey berichtete über seine Erfahrungen mit der Hochdrucktherapie. In besonderen Fällen hat er mit Raufwolfia-Tinktur Erfolge. Wichtig bei diesem sogenannten „Forte“-Phytotherapeuticum ist die exakte Dosierung auf Basis des Alkaloidgehaltes. Je nach Patient ergänzt er mit anderen Drogen mit einem weniger ausgeprägten Effekt in Form von Mischungen der Tinkturen, aber auch Tees. Der Entscheid fällt nach einer Abklärung, ob die vorliegende Hypertonie „phytotherapietauglich“ ist. Zum Abschluss gab Simon Becker einen Einblick über die Rolle der Arzneipflanzen in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Viele auf den ersten Blick heutzutage etwas eigenartig erscheinenden Zubereitunsmethoden der TCM waren vor noch nicht allzu langer Zeit auch in der europäischen Phytotherapie verbreitet. So wurden komplexe Zusammensetzungen mit zehn bis zwanzig Drogen erst in den letzten Jahrzehnten verlassen. Insgesamt unterliegen die in der Schweiz als Arzneimittel zum Einsatz kommenden Drogen bezüglich Qualität, insbesondere auch Reinheit, den gleichen Kriterien wie die Drogen der europäischen Phytotherapie. Es war – einmal mehr – ein anregender Tag. Aus den Referaten und Diskussionen ergaben sich zahlreiche Möglichkeiten, von Kolleginnen und Kollegen erprobte Therapien in die eigene Praxis umzusetzen. Die Mehrzahl der Referate wurde nämlich von regelmässig therapeutisch tätigen Sprechern präsentiert.

Conwitha Lapke erläuterte die Gemmotherapie Rodolfo Mähr berichtete über seine Erfahrungen mit Phytotherapie bei chronischen Krankheiten im Alter
Clifford Kunz, Martin Schnelle und Konrad Frech (von links) berichteten über die Mistel als Arzneipflanze und in der Therapie

Der erfreulich grosse Zuspruch sorgte für eine gut gefüllte Aula an der ZHAW. Auch drei Studierende der Pharmazie an der Universität Basel zeigten Interesse an der Phytotherapie.